Avanessian (2023, S. 72) sagt, es solle schon früh in der Schule die Aufgabe sein, exponentielle Entwicklungen denken zu lernen. Wir seien nicht geübt darin, nicht-lineare Entwicklungen, also exponentielle Zeitlichkeiten zu begreifen.

Die Gründe dieser Forderung kann man darin sehen, dass sich Klimawandelphänomene in exponentieller Geschwindigkeit beschleunigen, Infektionen in der Corona-Pandemie exponentiell zugenommen hatten und dass sich im IT-Bereich Rechnerkomponenten ebenfalls regelmäßig verdoppeln, so Gordon Moore. Unser Verständnis, was vor sich geht, und unsere Reaktion darauf, sind zu langsam, um angemessen zu reagieren und ggf. Schaden abzuwenden.

Avanessians Forderung erinnert mich daran, dass ein kindliches Gedankenspiel mit Nimm-Zwei-Bonbons für mich — und wahrscheinlich auch für viele andere Kinder — die erste Berührung mit Exponentialität waren. Denn auf jedem Bonbon stand “Nimm Zwei”, was unmittelbar dazu führte, zwei weitere zu nehmen und dann vier und so weiter. Schnell ist die Tüte leer, die nächste gekauft, der erste Laden leer, dann der nächste, die Stadt, die Welt, das Universum, alle Nimm-Zwei-Bonbons wären meine gewesen. Krass.

Für die Älteren, die das Schachspiel schon kannten, war es die alte Geschichte mit den Reis- oder Weizenkörnern, die der Erfinder des Spiels als Belohnung für sich forderte: 64 Felder, 2^64 Reiskörner, eine unvorstellbare Menge. Ich erinnere mich, im Matheunterricht das erste Mal davon gehört zu haben.

Die Macht der Potenzen, die sich in diesen einfachen Geschichten offenbart, sucht heute ihren Transfer zu den Phänomenen und Herausforderungen unserer Zeit.

Gibt es überhaupt noch Nimm-Zwei-Bonbons?

Referenzen

Avanessian, A. (2023). Politische Zukunftsschule (Recherchen). Dazwischengehen! neue Entwürfe für Kunst, Pädagogik und Politik (S. 70–74). Berlin: Theater der Zeit.